Day 10 _it’s time to say goodbye

Bericht von Nicola Baloch 5.1.2016

Ein Tag der Abschiede. Manche fallen uns leicht; andere wieder sehr schwer. Zunächst vom Quartier. Dieser war nach x kalten Duschen durchfrorenen Nächten, vor Dreck starrender Badezimmer und spartanischer Ausstattung nicht ganz so schwierig. Empfehlen können wir unsere Apartments nicht wirklich, aber wir waren ja nicht auf Urlaub auf Lesbos und den mangelhaften Komfort der Unterkunft gleichen wir durch harte, erfolgreiche Preisverhandlungen aus. Bei unserem Bäcker holen wir noch das bestellte Olivenöl aus seinem Dorf ab; danach fahren wir mit unserem Schützling nach Moria und verteilen unsere verbliebenen Schätze an die verschiedenen Volunteerstationen wie an das Teezelt, die Wiener von Because, Ramon den Lagertechniker. Für Hamid besorgen wir noch schnell Turnschuhe aus dem Kleiderzelt; zuvor hatten wir ihm schon Jacke, Haube, Socken, Schlafsack und Shampoo geschenkt sowie 100€ für eine sicherere Reise, dann müssen wir uns auch schweren Herzens von ihm verabschieden. Wir hoffen, er kommt gut an und meldet sich, sobald er in Österreich ist. Zum Abschluss drehe ich noch eine Runde durchs Camp, verabschiede mich von einem Ort, den ich trotz aller Schwierigkeiten lieb gewonnen habe.

Das erste Lager, in welchem Flüchtlinge wie Menschen behandelt werden, wo sie aufgenommen und nicht abgefertigt werden, wo sie Hilfe bekommen, wo sich alle Beteiligten auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen und wo Volunteers das leisten, was Polizei nicht hinbekommen wollen oder können. Hier gibt es keine Polizeipräsenz, kein Schreien und auch keine Angst voreinander. Angst haben wir vor dem Wetter, vor dem Kentern der Boote, vor dem Tod, der hier präsent ist. Davor, dass wieder mal die Schuhe ausgehen im Kleiderzelt, dass Familien mit kleinen Kindern keinen Schlafplatz finden, dass unsere Freunde nicht warm genug ausgestattet auf die eisige Balkanroute aufbrechen.

Auf dem Weg durch das Camp treffe ich Hamid noch einmal in der „Afghan Line“ für dir Registrierung bei Frontex. Er hat Glück. Sein Ticketdatum kommt heute noch dran, morgen schon kann er sich auf den Weg machen. Wir verabschieden uns noch einmal, und mir ist es ganz eng ums Herz, wie bei jedem und jeder, die ich persönlich kennenlernen durfte. Die Menschen im Camp grüßen uns und so absurd das klingen mag fühle ich mich hier in diesem Gatschhaufen ein Stück zuhause und der Abschied fällt mir sehr schwer. Abschied nehmen heisst es auch von Wolfgang. Wir haben es nicht geschafft, ihn zu überzeugen, mit uns zurück zu kommen. Wir lassen ihn nur ungern allein zurück, müssen seine Entscheidung aber respektieren. Er hat wohl noch etwas zu erledigen hier. Ich hoffe wir sehen uns bald wieder, heil und gesund.

Fährtickets zu bekommen ist ein Abenteuer für sich. Im Endeffekt liegen wir nun in einer Kabine, die uns nach all dem Chaos der letzten Woche wie der reinste Luxus erscheint. Alle paar Stunden hält die
Fähre auf einer Insel und die Ansagen wecken uns. Um 8 werden wir in Piräus ankommen und dann die Balkanroute im Zeitraffer hinauffahren. Davor noch ein bisschen Schlaf, damit es nicht ganz so anstrengend wird

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