(c) Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt (Text übernommen aus Joko & Klaas 15 Minuten live in https://youtu.be/XRqN9E9boCY, 17.09.2020)
13.09.2020, Milad Ebrahimi, 21, aus Afghanistan erzählt:
„Ich bin seit 9 Monaten im Moria Refugee Camp auf der Insel Lesbos, Griechenland. Und es war der größte Fehler meines Lebens, dass ich auf diese Insel gekommen bin.
Ich musste illegal aus dem Iran über die Türkei auf diese Insel fliehen. Es war mein dritter Versuch nach Europa zu kommen. Bei unserem ersten Versuch ist unser Boot gesunden. Wir wurden von der türkischen Küstenwache gerettet und zurückgebracht. Beim zweiten Versuch kamen wir in die Nähe der Insel Lesbos. Wir waren 40 Menschen in einem kleinen Boot voller Frauen und Kinder. Als wir Griechenland erreicht hatten waren alle sehr glücklich und erleichtert. Doch dann kam die Küstenwache. Sie haben den Motor unseres Bootes zerstört und uns zurück aufs Meer gezogen. Sie riefen: „Geht zurück“ Geht zurück!“ Dann sind sie schnell abgehauen. Sie haben uns einfach auf dem Meer zurückgelassen, ohne Motor. Wir konnten nirgendwohin. Wir waren alleine mitten auf dem Meer. Wir alle hatten große Angst. Irgendwann kam die türkische Küstenwache und brachte uns aufs türkische Festland. Wir versuchten es ein drittes Mal und das war dann erfolgreich. Wir waren glücklich und hofften, dass einfach nur zu Ende ist. Wir konnten uns endlich wieder lebendig fühlen und ein neues Leben beginnen.
Am ersten Tag, als wir nach Moria kamen und das Camp, die Zustände und den Dreck sahen, waren wir enttäuscht. Das erste, was uns auffiel, war die Auslastung des Camps. Es war für 3000 Menschen gemacht, aber dort lebten 18000-19000 Menschen. Menschen lebten in kleinen Zelten aus Holz und Plastik. Es gibt keinen Strom, keine Sanitäranlagen. Es gibt keine Ärzte. Es keine Essensversorgung. Wir waren gebrochen. Warum? Ist das wirklich Europa? Ist das die Realität oder nur ein schlechter Traum?
Ich war wach, als das Feuer ausbrach. Ich habe alles von Anfang an miterlebt. Es gibt viele Gründe, die ein Feuer entfachen. Viele Menschen lebten auf dieser Insel, in diesem Camp, unter diesen Bedingungen 3-4 Jahre. Sie haben die ganze Welt zum Hinsehen gezwungen. Ändert die Zustände! Ändert unsere Situation! Das Feuer wurde immer größer. Wir hatten alle große Angst. Wir mussten aus Moria fliehen, um unser Leben zu retten. Ich habe alles verloren. Mein Zelt, mein Zuhause. Wir mussten schnell weg.
Aber die Armee hat die Straßen blockiert. Frauen und Kinder haben geweint und geschrien. Chaos ist ausgebrochen und die Polizei war da. Ich weiß nicht, warum sie mit Tränengas auf Familien geschossen haben. Das hat mich richtig schockiert. Wir waren von Europa enttäuscht. Enttäuscht vom Leben. Wir haben alles verloren.
Die griechische Regierung ist überfordert mit den vielen Geflüchteten. Deshalb gingen die Menschen protestieren. Sie wollten einfach ein Ende dieser Situation. Aber wieder kam die Polizei und hat mit Tränengas geschossen. Ich weiß nicht warum. Viele Familien wurden mit Tränengas beschossen. Für mich war es völlig sinnlos. Bevor ich aus meinem Land geflohen bin für eine bessere Zukunft dachte ich, dass in Europa Gleichberechtigung und Freiheit herrscht. Das man sagen kann, was man denkt. Dass Menschen sich gegenseitig respektieren und Menschenrechte besitzen. Für all das habe ich beschlossen nach Europa zu fliehen. Wenn mir Europa zuhören würde, würde ich nur sagen, dass alle Geflüchteten auf dieser Insel eine Lösung brauchen. Wir brauchen eine für diese Bedingungen, das Leid und den Schmerz der Menschen. Lasst uns sie unterstützen und helfen und kümmert euch um das Chaos.„
A short story of Moria
Der folgende Film zeigt die körperliche und emotionale Gewalt an den Außengrenzen Europas. Für empfindsame Zuschauer*innen und Kinder nicht geeignet.