Gerlinde Mayer, 11.11.2020
M. war fünfzehn, als er ohne seiner Familie aus Afghanistan fliehen musste. Drei Monate dauerte die Flucht nach Österreich. Immer wieder hat er „Mitreisende“ verloren und hat sich anderen auf ihrem Weg nach Europa angeschlossen. Die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland war stürmisch und er hatte Angst, das Boot könnte kentern. Letztendlich kam er im Jänner 2016 in Österreich an. Über einen ersten Aufenthalt in Traiskirchen, einem kurzen in einer Unterkunft für Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge in Villach kam er in eine Unterkunft für UMF in der Steiermark.
Angekommen, war es für ihn wichtig Deutsch zu lernen. Der Deutschunterricht in der Unterkunft half ihm, gemeinsam mit vier anderen Jugendlichen den „Lehrgang Übergangsstufe an BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der deutschen Unterrichtssprache“ an der HAK/HASCH Voitsberg zu absolvieren und danach in die erste Klasse HASCH einzusteigen. M. war sehr froh in Österreich ohne Angst in die Schule gehen zu dürfen, in den Pausen Tischfußball zu spielen und Spaß zu haben.
Einige Mitschüler von M. haben auf Grund des zweiten negativen Asylbescheides die Schule trotz guten Erfolges verlassen müssen, sie sind in ein anderes Land weitergeflüchtet. Einer von ihnen hat zuvor sogar noch seine Abschussarbeit abgegeben. Andere haben mit der Schule aufgehört, nachdem sie einjährigen subsidiären Schutz bekamen und arbeiten gehen mussten. Das BFA verlangt einen Arbeitsnachweis, um den Schutz zu verlängern. Hinzu kommt auch, wenn sie volljährig werden, dass sie sich selbst versorgen müssen wenn sie Asyl bekommen. Dazu brauchen sie einen Vollzeitjob und Schule ist nicht mehr möglich.
Großer Dank gebührt der Direktorin und ihrem Lehrkörper, die die jungen Afghanen nicht nur mit Wissensvermittlung sondern auch mit Lehrmitteln unterstützt haben und immer für sie da waren. Indirekt waren sie mit den Asylentscheidungen und deren Konsequenzen konfrontiert und vom ungewollten Verlust ihrer Schüler sehr betroffen. Einer der Klassenvorstände meinte zwischendurch, „ich verliere alle meine Schüler“.
Dieses Jahr gab es zwei Abschlussklassen in der HAK/HASCH Voitsberg. Aus diesen beiden Klassen haben zehn Afghanen den HASCH-Abschluss geschafft, darunter auch M. Eine großartige Leistung! Viele Ehrenamtliche haben die Jugendlichen auf ihrem Weg zum Schulabschluss unterstützt. Die Direktorin bedankte sich bei der Zeugnisverteilung sehr herzlich bei den vielen „Ersatzmüttern“. Der Klassenvorstand von M. verglich seine Klasse mit einer Fußballmannschaft mit Legionären, die er als ihr Coach betreuen durfte. Es war eine emotionale Abschlussfeier mit vielen stolzen Gesichtern!
Im September hat M. mit der Abendfachschule für Mechatronik an der Bulme Graz begonnen. Dass er all das bis jetzt geschafft hat ist großartig. Auch wenn er von seiner Patin gut unterstützt wird, lernen muss er selber. M. hat noch keinen positiven Asylbescheid und die Angst, dass es ihm so gehen könnte wie vielen anderen Kollegen, die das Land wieder verlassen haben, trotz gutem Schulerfolg und guter Integration, ist immer vorhanden. Dabei motiviert zu bleiben und weiter zu machen ist schon eine bemerkenswerte Leistung. Wirklich ankommen wird er, wenn er die Gewissheit hat, in Österreich bleiben zu dürfen.
