Angekommen – Portrait 1

7.9.2020, Marion Bock

Im Sommer 2015 kam A. als 17jähriger, unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, in Österreich an.

Als Kleinkind war er mit seinen Eltern vor den Morddrohungen des Onkels, der das Grundstück von A.s Familie in Besitz nehmen wollte und mit der korrupten Polizei im Ort kollaborierte, von Afghanistan nach Pakistan geflohen. Bald darauf verstarb A.s Vater, und als ältestes männliches Familienmitglied musste er zum Lebensunterhalt der Mutter und seiner Geschwister beitragen. Mit 8 Jahren begann er, in einer Schneiderei und später als Verkäufer zu arbeiten. Sein größter Wunsch war, in die Schule zu gehen und zu lernen. Da er als Afghane in Pakistan keine öffentliche Schule besuchen durfte, sparte sich die Familie das Geld vom Mund ab, um A. vier Jahre lang neben der Arbeit den Besuch einer privaten Schule zu ermöglichen. Als er 16 Jahre alt war, wurde er mehrfach mit dem Tod bedroht, weil er der Volksgruppe der Hazara angehört. Da beschloss er, zu fliehen.

In Österreich angekommen lernte er Deutsch und begann eine Ausbildung als Mechatroniker an der Abend HTL. Im Herbst 2017 erhielt der den 1. negativen Asylbescheid. Dank seiner ehrenamtlichen Aktivitäten, der Tatsache, dass er eine Ausbildung in einem Mangelberuf besuchte und des Engagements Ehrenamtlicher, die die Versäumnisse des teuren Rechtsanwalts ausbügelten, wurde ihm vom BVwG eine Aufenthaltsberechtigung erteilt. A. durfte also in Österreich bleiben, musste aber innerhalb von 2 Tagen sein Grundversorgungsquartier verlassen, war nicht mehr versichert, bekam 0,- Unterstützung, musste die Schule abbrechen und hatte nur beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Ohne Unterstützung Ehrenamtlicher hätte er ohne Essen, ohne Krankenversicherung, ohne einen Euro auf der Straße leben müssen – und das im 7.reichsten Land der Erde…

Wieder Dank der Hilfe einer engagierten Freundin gelang es, rasch einen Arbeitsplatz zu finden, wo A. seit 2 Jahren ein wichtiger Mitarbeiter ist und monatlich Steuern zahlt. Nach wie vor möchte A. sehr gerne eine Berufsausbildung machen – und überlegt gerade, ob er das Angebot eines Grazer Restaurants, im Herbst eine Kochlehre zu starten, annehmen wird.

A. ist angekommen – trotz aller Schwierigkeiten, die das österreichische Asylwesen zu bieten hatte.

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